Bauen im Südsteirischen Weinland

Am Freitag, dem 19.11.2010 luden die Landesbaudirektion Steiermark und der Verein „Baustelle Land“ zum Seminar „Bauen im Südsteirischen Weinland“ in die Weinbauschule Silberberg in Leibnitz.

Die Ankündigung unterschiedlicher Vorträge sowie einer Evaluierung des „Fachbeirates Südsteiermark“ lockten neben dem Bezirkshauptmann von Leibnitz, Manfred Walch, unzählige BürgermeisterInnen, LeiterInnen und MitarbeiterInnen von Baubezirksleitungen sowie RaumplanerInnen und ArchitektInnen in die morbide Turnhalle der Weinbauschule. 

Nach der Begrüßung und Einführung durch die beiden Akteure der Initiative „Baustelle Land“ – die Architekten Reinhard Schafler und Peter Pretterhofer -, durch Landesbaudirektor Andreas Tropper sowie BH Walch, startete das Seminar mit dem gewohnt neidvollen Blick nach Vorarlberg. Eine Delegation aus Lauterach, mit Bürgermeister Elmar Rhomberg, Architekt Hans Hohenfellner – u.a. einst Mitglied des Pilotprojekts “Gestaltungsbeirat Südsteirisches Weinland”  – und dem bautechnischen Amtssachverständiger Erwin Rinderer, berichtete von den positiven Erfahrungen mit dem dort seit zwanzig Jahren agierenden Fachbeirat. 

Dass das Instrument des Fachbeirates nicht nur im äußersten Westen Österreichs funktioniert, bestätigte der Gamlitzer Bürgermeister Karl Wratschko. Er zeigt sich begeistert von der Unterstützung durch den Fachbeirat „Südsteirisches Weinland“ und wies darauf hin, dass nicht nur die großen und öffentlichen Bauten der Beurteilung des Fachbeirates unterliegen. Auch Zubauten, Wirtschaftsgebäude und Garagen würden nach außen wirken und das Orts- und Landschaftsbild nachhaltig beeinflussen.

 Am positiven Beispiel des Weinguts Klug in der Gemeinde Eichberg-Trautenburg erläuterten der Planer, Baumeister Josef Partl, Bürgemeister LAbg. Peter Tschernko, Raumplaner Gottlieb Krasser und Fachbeiratsmitglied Günter Koberg die Tätigkeit des Fachbeirates. Im Fall der geplanten Errichtung von Gästezimmern am Hof des Weinguts Klug wurde der Fachbeirat in einer sehr frühen Planungsphase eingebunden und konnte hinsichtlich des Bauplatzes beratend einwirken. Die Ausnutzung der Hanglage, die Erhaltung von Blickachsen und die räumliche Schaffung von Hofsituationen wurden thematisiert und seitens der Planer und Bauherrschaft offen und dankbar aufgenommen und realisiert.

Das Beispiel zeigt die Notwendigkeit, den Fachbeirat frühzeitig in den Planungsprozess einzubinden. Wird der Beirat bereits mit aussagekräftigen Entwurfsskizzen und Modellen konfrontiert, kann gemeinsam mit BauherrInnen und PlanerInnen an der Optimierung des Bauvorhabens gearbeitet werden. Werden den Beiratsmitgliedern jedoch fertige Einreichpläne vorgelegt, resultiert daraus zumeist Frust für alle Beteiligten.

Architekt Hans Gangoly relativierte die angekündigte „Evaluierung des Fachbeirates Südsteirisches Weinlandes“. Sein Institut an der TU Graz wurde mit der Evaluierung des seit Juli 2008 existierenden Beirats beauftragt – messbare Ergebnisse seien aber erst in ein bis zwei Jahren zu erwarten. Ziel der Evaluierung solle vor allem sein, die Realisierung der Projekte zu betrachten. Hier ist etwas zu bedauern, nämlich, dass die Methode der Eigen-Evaluation gewählt wurde, anstatt die wertvolle Außensicht Externer einzubeziehen.

Sehr informativ und ernüchternd offen präsentierte Gangoly jedoch einen Zwischenbericht zu den vergangenen zweieinhalb Jahren der Tätigkeit im Fachbeirat. Anhand unterschiedlicher Beispiele erläuterte er positive wie negative Erfahrungen. Zu letzteren gehört ein Zubau, welcher vom Bauherren, nach mehrmaliger Vorlage beim Beirat, gänzlich entgegen aller vereinbarten Kompromisse und Pläne realisiert wurde. Beispiele wie dieses belegen, dass ein Fachbeirat nur dann Sinn macht, wenn die plankonforme Realisierung seitens der Baubehörden gewährleistet wird. Gängige Drohungen zahlreicher BauherrInnen wie „Wenn ich das hier nicht bauen darf, dann bau ich halt woanders!“ seien zumeist nicht ernst zu nehmen, da die Auseinandersetzung mit dem Baugrund meist schon zu weit gediehen ist. Häufig werde vonseiten der Bauherrenschaft die Frage gestellt, wie viel Zeitverzögerung ein Gestaltungsbeirat mit sich bringe. Gangoly kann diesem Bedenken entgegenhalten, dass nach zweieinhalb Jahren Beiratstätigkeit erst ein Bruchteil der vorgelegten und bewilligten Bauvorhaben auch tatsächlich realisiert worden ist. 

Die Tätigkeit des Beirates sei „prozesshaft“, so Gangoly. Die vier beteiligten Gruppierungen – BauherrInnen, PlanerInnen, Gemeinde und Beiratsmitglieder – müssen einen baukulturellen Prozess zulassen und offen für die gemeinsame Lösungsfindung sein. Das Gelingen hänge von allen ab. 
Bedauernd stellte Gangoly fest, dass er im Beirat häufig gar nicht über Baukultur sprechen könne, sondern grundlegende Planungskultur einmahnen müsse. Höhenschichtlinien fließen in die Planung nicht ein, Modelle sind die Ausnahme und die Planungen selbst sind oft nicht aussagekräftig. 80 Prozent der Planungen liegen keine Vermesserpläne zu Grunde und die BauherrInnen wissen zum Zeitpunkt der Planung nichts über die voraussichtlichen Baukosten.

Die vielen Beispiele aus der Praxis zeigten, dass ein funktionierender Fachbeirat in seiner Aufgabe als Baukulturvermittler ein enorm positives Forum sein kann. Der Weg dorthin scheint für alle Beteiligten ein langer Lernprozess zu sein – häufig wird das Gespräch mit gänzlich unterschiedlichen Erwartungshaltungen begonnen. Die Mitglieder eines Beirates müssen herausragende Qualitäten als MediatorInnen haben, auf Augenhöhe mit BauherrInnen und BehördenvertreterInnen kommunizieren können und, da sie sich nicht nur beliebt machen, dickhäutig sein. Wesentlich ist schließlich, dass die Baubehörde (BürgermeisterIn) vom Nutzen eines Beirates überzeugt ist und hinter dessen Entscheidungen steht. Auch hier ist es Aufgabe der Beiräte, die getroffenen Entscheidungen allen politischen Entscheidungsträgern unmissverständlich zu erläutern, sodass diese verstanden und nachvollzogen werden können.

Text – M. Brischnik, erschienen auf www.gat.st am 06.12.2010