“Generationen Wohnen Gleisdorf” – Eine vergebene Chance

Der Weg vom Entwurf bis zur Realisierung eines Bauprojektes ist geprägt von unzähligen Entscheidungen. Im Zuge der Ausführungs- und Detailplanung stellen sich finanzielle, technische und gestalterische Fragen, welche von BauherrInnen und PlanerInnen zu treffen sind. Im Idealfall entspricht das fertige Bauwerk schließlich dem ursprünglichen Entwurf und den Vorstellungen sowohl der ArchitektInnen als auch der BauherrInnen. Wer die Ergebnisse von Architekturwettbewerben regelmäßig verfolgt, wird feststellen, dass es häufig nicht gelingt, die Entwurfsidee bis zur Fertigstellung aufrechtzuerhalten.

Die Gründe für gravierende Widersprüche zwischen Entwürfen und Realisierungen sind unterschiedlicher Natur. Häufig sind die Ziele zu hoch gesteckt oder ungenau definiert, das kann am Unwillen der BauherrInnen oder an der Inkonsequenz der ArchitektInnen liegen oder schlichtweg am fehlenden Budget. Im besten Fall finden PlanerInnen und BauherrInnen gemeinsam die besten Kompromisse, um die wesentlichen Qualitäten eines Projektes umzusetzen – im schlechtesten Fall scheitert die Kommunikation zwischen den beiden Parteien.

Im Fall des Wohnbauprojektes „Generationen Wohnen Gleisdorf“ haben die beiden Initiativen Artimage und Europan Österreich im Jahr 2007 mit finanzieller Unterstützung des Landes Steiermark in der Höhe von 125.000 Euro einen zweistufigen Wettbewerb ausgelobt, welcher Basis für ein herausragendes und innovatives Projekt sein sollte. Eine prominent besetze Jury kürte 2008 den Entwurf von Architekt Univ. Prof. DI Manfred Wolff-Plottegg einstimmig zum Wettbewerbssieger. Ziel war es, einen Wohnbau zu realisieren, der als Pilotprojekt hinsichtlich sozialer und ökologischer Aspekte neue Impulse setzt. Dem Projekt von Wolff-Plottegg wurde im Juryprotokoll der zweiten Stufe attestiert, es enthalte in seiner „eleganten Unaufwendigkeit ‚kein Gramm Fett’ und suggeriere ein hohes Entwicklungspotential für die Umsetzung, die der Entfaltung von Möglichkeiten und nicht dem Abspecken der Qualitäten verpflichtet wäre.“

Umso mehr verwundert es, dass Wolff-Plottegg sich äußerst enttäuscht zu dem Projekt äußert und die ausschlaggebenden Qualitäten des Entwurfes in der geplanten Realisierung vermisst. Konkret wirft Wolff-Plottegg der ÖWG Wohnbau und der Wohn- und Siedlungsgenossenschaft Ennstal vor, keine Kompromisse angestrebt zu haben, sondern durch ihre Vorgaben jegliche Innovation des Projektes zunichte gemacht zu haben. So sei im Wettbewerbsprojekt die Flexibilität der Wohnungsgrößen während der Planungsphase, der Bauphase und der Nutzungsdauer von Bedeutung gewesen, werde nun aber durch massive Wohnungstrennwände nicht ermöglicht. Die Tiefgarage werde, anders als von ihm vorgeschlagen, bei der gleichen Anzahl der Stellplätze deutlich größer ausgeführt als nötig. Zusätzlich eingeführte Treppenhäuser sollen ermöglichen, dass von jedem Baukörper aus, ohne Benutzung der verbindenden Brücken, das Untergeschoss erreicht werden kann.
Auch die geplanten, gemeinsam genutzten und öffentlichen Flächen im Erdgeschossbereich (Restaurant, Gemeinschaftsräume, Eltern-Kind-Zentrum etc.) würden nicht oder nur stark eingeschränkt realisiert werden. Nachdem Wolff-Plottegg die Einreichplanung finalisierte und der Baubescheid am 29.09.2010 erging, wurde er nicht mehr für weitere Planungen beauftragt.

Die Vertreter der beiden Wohnbaugenossenschaften Bmst. Ing. Johann Frank (ÖWG Wohnbau) sowie DI Erich Feix (Wohn- und Siedlungsgenossenschaft Ennstal) führen das vor allem auf das Scheitern der Kommunikation mit Wolff-Plottegg zurück. Man sei bemüht gewesen, das Wettbewerbsprojekt gemeinsam mit dem Architekten an die Vorgaben von Mietrechtsgesetz, Wohnungseigentumsgesetz und Wohnbauförderungsgesetz anzupassen.
Die Flexibilität von Wohnungsgrößen sei gänzlich unrealistisch, da für WohnungskäuferInnen und MieterInnen kein Bedarf an nachträglicher Änderung der Wohnungsgröße bestünde bzw. die Wahrscheinlichkeit gering sei, dass der angrenzende Nachbar kooperiere.
Auch die Änderung der Tiefgaragenplanung können Frank und Feix begründen. Ein Bodengutachten würde belegen, dass der Untergrund unter den Baukörpern nicht tragfähig sei, eine kleinere Ausführung der Garage also kaum Einsparungen brächte. Die Unterkellerung des gesamten Bereiches würde sowohl statische Vorteile bringen als auch die Wege verkürzen und den Komfort der NutzerInnen erhöhen.
DI Johann Tatzl, der Leiter des Technischen Referates der Abteilung Wohnbauförderung des Landes Steiermark, wurde mit der Prüfung der Varianten und Möglichkeiten beauftragt. In seiner Stellungnahme vergleicht er die Kosten für die Verglasung der Brücken sowie die statischen Maßnahmen im Bodenbereich mit den Kosten der zusätzlichen Unterkellerung und zusätzlicher Treppenhäuser. Die Vergrößerung der Garage würde unter diesen Gesichtspunkten 40.000 Euro mehr kosten, dafür aber deutliche Vorteile bringen.

Betreffend die Einbindung zusätzlicher NutzerInnen verweisen die Vertreter der Wohnbaugenossenschaften auf intensive Bemühungen, Gastronomen, Bäckereien sowie ein Eltern-Kind-Zentrum in das Projekt zu integrieren. Trotz des zentrumsnahen Standortes konnten keine adäquaten BetreiberInnen gefunden werden. Derzeit hoffe man, die „Chance B“ als soziale Initiative in dem Komplex unterzubringen. Ein Gemeinschaftsraum wird in der Volksbank integriert, was den Vorteil hat, dass diese als „Betreiber“ Verantwortung für den Raum übernimmt. Die der Gastronomie gewidmeten Flächen würden im Erdgeschoss unbebaut bleiben, um eine nachträgliche Erweiterung zu ermöglichen.
Mit der weiterführenden Ausführungsplanung wurde das Architekturbüro Frei & Wurzrainer beauftragt.

Eine der wesentlichen Voraussetzungen für das Gelingen herausragender Bauprojekte ist die klare Definition der Bedürfnisse und Ziele des Bauvorhabens im Vorfeld der Planung. Dieser Prozess scheint im Fall des Projektes „Generationen Wohnen Gleisdorf“ gescheitert zu sein. Die ehrgeizigen Intentionen der Wettbewerbsauslobung wurden nicht ausreichend mit den pragmatischen Vorgaben der Wohnbaugenossenschaften und den örtlichen Gegebenheiten am ausgewählten Grundstück abgeglichen. Das redliche Bemühen der Wohnbaugenossenschaften, im Rahmen der ihnen zur Verfügung stehenden gesetzlichen und finanziellen Mittel das Projekt möglichst komplett umzusetzen, wird nun zu einem Wohnbau führen, welcher einige der in der Wettbewerbsausschreibung angestrebten Innovationen vermissen lassen wird.

Text – M. Brischnik, erschienen auf www.gat.st am 24.05.2011