“Ich liebe Baustellen…”

Am 16. September 2009 veranstaltete das HDA Graz einen Roundtable mit Bürgermeister Siegfried Nagl zum Thema “NEUSTART”. Weitere Gäste am Podium waren Stadtbaudirektor Bertram Werle, Architektin Anna Popelka (Wien), Volker Dienst (architektur in progress, Wien) und Birgit Jandl (GF m2 Immobilien GmbH). Moderiert wurde der Abend von Thomas Wolkinger (Chefredakteur des Falter Stmk.)

Motiviert und positiv gab sich Bürgermeister Mag. Siegfried Nagl, als er vor vollem HDA, anlässlich seiner Übernahme des Planungsressorts der Stadt Graz, zu Themen der Stadtentwicklung und Baukultur Stellung nahm. Graz sei ein gutes Pflaster, und es gäbe keinen Grund zu jammern, betonte Mag. Nagl einleitend. Die Stadt hätte sowohl durch die Ernennung zum UNESCO-Weltkulturerbe als auch durch das Kulturhauptstadtjahr 2003 nachhaltig profitiert, und es sei gelungen, zahlreiche hervorragende Projekte zu realisieren. Insbesondere hob er das Grazer Kunsthaus sowie die Neubauten am Messeareal hervor, welche in der Stadtentwicklung Impulse setzen und Investoren nachziehen würden.

Nagl bekannte seine Vorliebe zu Baustellen und verwies auf mehrere Projekte, die in naher Zukunft in Graz realisiert werden sollen. Neben der Nahverkehrsdrehscheibe Hauptbahnhof und dem geplanten Murkraftwerk in Puntigam wird vor allem der Bedarf an neuen Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulbauten dafür sorgen, dass in Graz die Baustellen auch in Zukunft zum Stadtbild gehören. Die aktuell stark steigenden Bevölkerungszahlen in Graz machen es nötig, bis zum Jahr 2013 etwa 30 bis 40 Millionen Euro in Schulneubauten, vor allem in den Bezirken Gries und Lend, zu investieren.

Als positives Beispiel für realisierte Bauten in der Innenstadt erwähnte Mag. Nagl den Umbau des Palais Welsersheimb am Eisernen Tor durch die m2 Immobilien GmbH. In das Bestandsgebäude wurden unter anderem die Buchhandlung Moser sowie das Cafe Magdalena integriert. Dr. Birgit Jandl, Geschäftsführerin von m2, betonte, wie wichtig es sei, die gewerbliche Nutzung im Stadtzentrum zu forcieren. Bürgermeister Mag. Nagl erwähnte in diesem Zusammenhang auch den gegenwärtig laufenden Kastner & Öhler-Umbau. Es gelte in Fragen des UNESCO-Weltkulturerbes bezüglich projektierter Neubauten nicht das „entweder – oder“, sondern das „und“. Voraussetzungen dafür seien natürlich der sensible Umgang mit dem Bestand und eine hohe Planungsqualität. Letztere soll in Graz auch weiterhin durch das „Grazer Modell“ gewährleistet werden, das laut Stadtbaudirektor DI Mag. Bertram Werle kürzlich einer Evaluierung unterzogen wurde. Der Servicegedanke wurde dabei bestätigt, es sei aber auch Änderungsbedarf gegeben, der derzeit diskutiert werde. Die Frage, ob ein Gestaltungsbeirat das bessere Instrument zur positiven Regulierung der Stadtentwicklung wäre, gab Bürgermeister Mag. Nagl umgehend an das Publikum im HDA weiter, das mit überwältigender Mehrheit für einen Gestaltungsbeirat votierte. Ob durch dieses Votum der Beirat nun fixiert wird, ließ Bürgermeister Mag. Nagl offen.

Ebenso wie die Architektin DI Anna Popelka mahnte DI Volker Dienst (architektur in progress) vor allem die Förderung eines breiten Bewusstseins für Baukultur ein. Über alle Bevölkerungsschichten machen die Ausgaben für Baukultur (Mieten, Betriebskosten, Erwerb von Wohnraum etc.) den größten Teil aller Investitionen aus und es werden über 90 % der Lebenszeit in gebauten Gebäuden verbracht. Umso wichtiger sei es, das Bekenntnis zur Baukultur nicht nur in Form realisierter Prestigeprojekte („One Friendly Alien“) zu verstehen, sondern nachhaltig die Sensibilität für Architektur zu fördern, beispielsweise in der Schulbildung („Thousands Friendly Grazer“). Der größte Feind der Baukultur seien PR-Blasen und ausgesprochene Begeisterungskundgebungen für Baukultur, auf welche zumeist der Verweis auf das mangelnde Budget folgen würde.

Als wolle er die Aussagen von Volker Dienst bestätigen, gab Bürgermeister Nagl zu, dass für das „projekt_A“ das Geld knapp sei. Das Thema Architektur sei aber eines der zentralen Themen der Bewerbung zur „City of Design“, für die in den nächsten Jahren eineinhalb Millionen Euro reserviert seien, und werde dort in einem größeren und weniger eventhaften Kontext transportiert.

Aus dem Publikum fragte Architektin DI Elisabeth Lechner nach den Vorstellungen betreffend fehlender Infrastruktur und Freiflächen, z. B. im Bezirk Lend, wo derzeit im großen Stil Wohnraum geschaffen würde. In diesem speziellen Fall wie auch im Allgemeinen wären die vorhandenen Instrumente der Stadtplanung hinsichtlich ihrer Wirksamkeit in Frage zu stellen.

Zum Thema „Reininghausgründe“ versicherte Mag. Nagl, dass zwar das Projekt „Asset One“ gescheitert sei, man aber an einer verantwortungsvollen Lösung arbeite, welche nicht ohne Mitsprache der Stadt Graz vorstellbar sei.

Der straffe Zeitrahmen der Veranstaltung, die nach exakt zwei Stunden zu Ende war, trug dazu bei, dass Fragen zu „heißen Eisen“ wie etwa der Thalia, dem Einkaufszentrum Annenstraße (ECE) und der Zufahrtsrampe zum Einkaufszentrum Graz-Nord nicht mehr thematisiert werden konnten. Angesichts der kommenden Aufgaben scheint es schließlich auch gerechtfertigt, den Blick in die nahe Zukunft zu richten und zu hoffen, dass die Stimmung so positiv bleibt, wie anlässlich dieses Abends.

Text – M. Brischnik, erschienen auf www.gat.st am 21.09.2009